Nach den beeindruckenden Tagen in Tortuguero führte uns unser Costa-Rica-Abenteuer weiter – entlang der Karibikküste und mitten hinein in das Leben der Bribri, einer indigenen Gemeinschaft, die seit Jahrhunderten in dieser Region lebt. Was mich in den nächsten zwei Tagen erwartete, war nicht weniger als ein Sprung aus meiner Komfortzone direkt in die Wildnis. Und wenn ich Wildnis sage, meine ich: Kein WLAN, dafür jede Menge Mücken, exotische Tiere und eine Dosis ursprünglichen Lebens, die man nicht so schnell vergisst.
Unser erster Stopp war das Dorf Bribri. Dort tauschten wir unseren Bus gegen motorisierte Einbaumkanus – ja, die Dinger aus Holz, die man in Filmen immer überladen auf dem Amazonas treiben sieht. Unser Ziel war das Dorf Yorkin, das nur über den Rio Yorkin 1 erreichbar ist. Die Fahrt über den Fluss war eine echte Dschungel-Achterbahn: teilweise starke Strömungen, Felsen und Fahrer, die mit langen Stöcken beeindruckend ruhig die Kähne durch enge Passagen manövrierten.

Das Dorf Yorkin, Heimat der Bribri, liegt tief verborgen im Regenwald und ist ein Ort, an dem die Zeit stillzustehen scheint. Die Gemeinschaft lebt fast autark und nutzt die Schätze der Natur für Essen, Medizin und sogar Kleidung.
Unsere Unterkunft war so authentisch wie nur möglich: schlichte Holzhütten mit Strohdach, Moskitonetze und einfache Matratzen auf Holzbetten, die an Jugendherbergs-Nostalgie erinnerten. Ein Dach über dem Kopf, aber mit Lücken für die einheimischen Insekten – Abenteuer pur.
Die Abende im Dschungel waren besonders – und ich meine nicht nur wegen des Kerzenscheins, der uns zwang, früher als gewöhnlich ins Bett zu gehen. In der Dunkelheit wurde der Regenwald lebendig: Glühwürmchen tanzten wie kleine Sterne durch die Nacht, während wir von der Ferne das Rufen der Brüllaffen hörten. Es war mein erstes Mal, die kleinen faszinierenden leuchtenden Punkte zu sehen, und ich war einfach vollkommen begeistert – es hatte etwas Magisches an sich.
Aber nicht nur Glühwürmchen ließen sich in der Nacht blicken. Die im Talamanca-Gebirge weitverbreitete Geißelspinne 2 wurde ebenfalls nachts aktiv. Obwohl sie ungefährlich sind, geben sie einem das Gefühl, im vierten Teil von Harry Potter gelandet zu sein.
Das Duschen in Yorkin war eine Sache für sich. Ich hatte mir vorgenommen, abends die kalte Dusche zu meistern – ich hatte ja schließlich eine Taschenlampe. Doch nicht nur das eisige Wasser schockierte mich, sondern auch eine riesige Kakerlake, die mich begrüßte und mich schnell die Flucht ergreifen ließ. Ab sofort hieß es: Tageslichtduschen oder gar nicht.
Am nächsten Morgen wurden wir schon sehr früh aus dem Schlaf gerissen – zwei Fledermäuse hatten beschlossen, in wilder Manier durch unsere offene Unterkunft zu flitzen. In diesem Moment war ich froh, dass ich mir vor der Reise vorsichtshalber die Tollwutimpfung hatte geben lassen, auch wenn das Risiko in Costa Rica eher gering ist. Leicht gerädert von der kurzen Nacht schleppten wir uns zum Frühstück, welches sich als echtes Highlight entpuppte. Die Bribri waren gezielt früh aufgestanden, um uns einen leckeren Start in den Tag bestehend aus frischen Kochbananen, fluffigen Maiskeksen, Rührei und einem über dem Feuer gebackenen Brot zu bescheren. Das Frühstück war erstaunlich lecker und genau das, was wir benötigten, um Energie zu tanken. Es war vielleicht einfach, aber die Bribri zauberten so viel Geschmack aus so wenigen Zutaten, dass es etwas Außergewöhnliches war. Besonders niedlich waren die Kokosschalen und die Bananenblätter, auf denen das Essen serviert wurde – eine charmante Art, die Verbindung zur Natur zu zeigen.
Mit Gummistiefeln an den Füßen, die Hosenbeine sicher in hohe Socken gestopft, um uns vor den fiesen Sandmücken 3 zu schützen, machten wir uns auf, das Dorf zu erkunden. Schon nach wenigen Schritten wurde uns bewusst, wie sehr die Bribri auf die Natur angewiesen sind. Heilpflanzen spielen hier eine zentrale Rolle, denn ein Arzt kommt nur alle paar Monate mit dem Boot vorbei – wenn die Wetterbedingungen es zulassen. Ihre medizinischen Kenntnisse sind interessant, denn von Fieber bis zu Schlangenbissen haben sie für fast jedes Wehwehchen eine pflanzliche Lösung. Das Dorf hat sogar eine Schule, in der die Kinder nicht nur lesen und schreiben lernen, sondern auch über ihre eigene Geschichte und Kultur unterrichtet werden. So erfuhren auch wir, dass die Bribri früher keine festen Namen hatten, sondern nach ihren Tätigkeiten oder Rollen in der Gemeinschaft benannt wurden. Erst die Spanier brachten die Idee von „richtigen“ Namen mit – genauso wie die Schriftform ihrer Sprache, die zuvor rein mündlich überliefert wurde.
Ein weiterer Höhepunkt der Reise war für mich die Herstellung von Schokolade – und als bekennender Schokoladenfan war das natürlich ein echtes Erlebnis! Wir begannen damit, die glibberige Fruchthülle der frischen Kakaobohne zu probieren, deren Geschmack uns sehr überraschte, denn anders als erwartet schmeckte die Frucht sehr süß und leider gar nicht schokoladig. Die getrockneten Kerne wurden anschließend mithilfe eines riesigen Steins, den die Bribri aus dem Fluss gefischt und selbstverständlich gereinigt hatten, gemörsert. Es fühlte sich wirklich an wie ein Schritt zurück in der Zeit – so ganz ursprünglich und roh. Das entstandene Pulver pressten wir zu purem, sehr bitterem Kakao und veredelten es dann mit süßen Zutaten, um eine köstliche Schokolade zu kreieren, die wir zusammen mit frischen Früchten genossen. Es war faszinierend, anhand der traditionellen Schokoladenherstellung zu erkennen, wie viel Mühe und Geduld es erfordert hat, alles von Hand zu tun – und das nur für eine kleine Menge an Süßigkeit. Vor der nächsten Tafel Schokolade werden wir in Zukunft deutlich mehr Respekt haben.

Der Regenwald ist die Heimat der Bullet Ants – auch Gewehrkugelameisen genannt, deren Biss den Spitznamen „24-Stunden-Schmerz“ trägt. Die Bribri erzählten uns, dass der Biss sich anfühle, als würde man einen Stromschlag abbekommen, wobei dieser Schmerz erst nach Stunden abebben würde. Wir stellten sicher, dass wir diesen Tierchen großzügig aus dem Weg gingen.
Zum krönenden Abschluss besuchten wir eine nahe gelegene Hängebrücke. Niemand aus unserer Gruppe traute sich, die Brücke zu überqueren, denn sie war wahrlich nur etwas für die ganz Mutigen. Die Bretter waren morsch, die Brücke löchrig, und mit dem wackeligen Geländer fühlte es sich an, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen. Für die Einheimischen jedoch war das keine große Sache – sie gingen routiniert darüber, während wir nur verblüfft zusahen.
Diese zwei Tage bei den Bribri waren nicht nur ein Abenteuer, sondern eine echte Lektion in Sachen Einfachheit, Naturverbundenheit und Mut. Es war ungewohnt, komplett offline zu sein, aber es war auch eine interessante Erfahrung: keine E-Mails, keine Social Media, dafür ein Erlebnis, das ich nie vergessen werde. Die Bribri zeigen, dass man für ein erfülltes Leben keinen Luxus braucht – nur Gemeinschaft, Natur und ein bisschen Mut, sich den Geißelspinnen zu stellen.